Im Süden des Landkreises Deggendorf liegt inmitten des Osterhofener Gäus die Gemeinde Buchhofen. Wir befinden uns dort in einer klassischen Altsiedellandschaft, deren Lössböden seit dem Beginn der Jungsteinzeit im 6. Jahrtausend v. Chr. ständig Besiedlung und Bewirtschaftung durch bäuerliche Gruppen ermöglichten. Im Gemeindegebiet von Buchhofen fehlen allerdings noch immer klare Nachweise für eine Besiedlung in dieser Zeit, wofür es keine vernünftige Erklärung gibt, herrschen doch dort dieselben naturräumlichen Voraussetzungen wie in der Nachbarschaft, wo solch frühe Besiedlung eindeutig nachgewiesen ist. Auch über die sonstige vorrömische Siedlungsgeschichte waren wir lange Zeit nur sehr unzureichend informiert, obwohl bereits für das Jahr 1843 der Fund eines keltischen Grabes aktenkundig wurde, 1908 frühmittelalterliche Gräber und 1928 eine glockenbecherzeitliche Siedlungsstelle und eine gleichzeitige Bestattung (2. Hälfte 3. Jahrtausend v. Chr.) ans Tageslicht kamen. Die letzten vor Einrichtung der Deggendorfer Kreisarchäologie bekannt gewordenen Funde, nämlich ein weiteres keltisches Grab und urnenfelderzeitliche Siedlungsreste, wurden 1952 in Manndorf entdeckt.
Damit endete die schüttere Reihe der gemeldeten Funde für lange Zeit. Zurückzuführen ist dies darauf, dass über die Jahrzehnte hinweg kaum denkmalpflegerische Probleme entstanden, weil die Siedlungsentwicklung sehr gering war und sich weitgehend innerhalb des bereits bebauten Ortsbereiches hielt. Außerdem fehlten lange Zeit Interessenten an der frühen Geschichte des Ortes, die archäologische Materialien gesammelt und gemeldet hätten. Mehr oder weniger zufällig kamen bis in die achtziger Jahre herein in geringem Umfang Oberflächenfunde zur Meldung.
Erst als sich unabhängig voneinander zwei ortsansässige Interessenten mit dem Sammeln von Keramik und Steingerät in den Äckern beiderseits des Herzogbaches befassten, trat eine merkliche Verbesserung des Wissens um die frühe Geschichte des Ortes ein. Hinzu kamen auch wichtige Entdeckungen der seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts betriebenen Luftbildarchäologie, die vor allem spezielle Siedlungsstrukturen bei Manndorf (spätkeltische Viereckschanze) und Nindorf (jungneolithische Grabenanlage des 1. Hälfte des 4. Jahrtausends v. Chr.) erfasste.
In erster Linie wurden Flächen östlich und westlich des bebauten Bereiches von Buchhofen begangen, besonders intensiv das Areal im Westen, sodass innerhalb weniger Jahre ein ganz neues Bild von den prähistorischen Siedlungsverhältnissen entstand. Aber auch aus dem Raum um Manndorf wurden viele ausgeackerte Oberflächenfunde gemeldet. Dadurch war die Aufmerksamkeit der Denkmalpflege auf diesen Ort gelenkt, und 1991 musste die Kreisarchäologie Deggendorf erstmals eine kleine Notuntersuchung am südöstlichen Ortsrand vornehmen, als eine Bestattung der jungsteinzeitlichen Münchshöfener Kultur (2. Hälfte 5. Jahrtausend v. Chr.) angeackert und teilweise zerstört worden war.
Die erste reguläre Grabung fand im Jahre 1995 am westlichen Ortsrand statt, als ein Einfamilienhaus errichtet werden sollte. Neben metallzeitlichen Siedlungsresten kam auch ein reich mit Trachtbestandteilen versehenes keltisches Kindergrab aus der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. zu Tage, eine Entdeckung die wegen der Seltenheit von Grabfunden dieser Zeitstellung besondere Aufmerksamkeit verdient. Darüber hinaus konnten noch vier weitgehend beigabenlose Körpergräber dokumentiert werden, die dem frühen Mittelalter (6./7 Jahrhundert n. Chr.) angehören. Die dort bestatteten Personen sind als unmittelbare Vorfahren der heutigen Buchhofener anzusehen.
Alle bis Mitte 1995 gesammelten Indizien zusammengenommen belegen uns einen Siedlungsbeginn in der 1. Hälfte des 5. Jahrtausends v. Chr., eine kontinuierliche Weiterbesiedlung, die aufgrund der naturräumlichen Voraussetzungen eigentlich zu erwarten wäre, lässt sich vorerst aber noch nicht beweisen.
Einen ganz entscheidenden Schritt zur Kenntnis der Siedlungsgeschichte brachte die Ausweisung eines Baugebietes im östlichen Ortsbereich. Dieses Baugebiet mit der Bezeichnung „Westag-Siedlung“ liegt an einem sanften Hang nördlich des genau Ost-West verlaufenden Herzogbaches. Es handelt sich um eine klassische Siedlungslage, die zwangsläufig archäologische Befunde erbringen musste.
Obwohl die Gemeinde bis 1995 von größeren bodendenkmalpflegerischen Problemen verschont geblieben war und deshalb keine persönlichen Kontakte zur Kreisarchäologie bestanden bzw. sich kein Bewusstsein für diese Problematik entwickeln konnte, kam es zu einer sehr erfreulichen Zusammenarbeit mit der Gemeinde, als es um Durchführung und Finanzierung einer Flächengrabung ging.
Zwischen Herbst 1995 und Sommer 1996 konnte eine Fläche von 2,2 ha vollständig untersucht werden. Dabei kamen über 800 archäologische Objekte wie Pfostenspuren, Vorrats-, Schlitz- und Materialentnahmegruben, Gräben und Körperbestattungen zutage. Hinzu kommen vorläufig nicht klar interpretierbare Befunde, deren Form an Brunnenschächte denken lässt, die aber in keinem Fall das Grundwasser erreichten. Ihre Datierung ist mangels eindeutigen Fundmaterials nicht möglich.
Die ältesten Siedlungsreste in der „Westag-Siedlung“ gehören wahrscheinlich der jungneolithischen Altheimer Kultur (1. Hälfte 4. Jahrtausend v. Chr.) an, doch weisen besondere Funde („Backteller“) auf die vorwiegend im Westen verbreitete Michelsberger Kultur hin. Es kann sich um Import, Nachahmung oder gar Beleg für die Zuwanderung einer Personengruppe aus dem Michelsberger Milieu handeln.
Die nächstjüngere an diesem Platz vorhandene Kulturgruppe ist die ältere Bronzezeit (23. bis 17. Jahrhundert v. Chr.). Sie wird vertreten durch mehrere kegelstumpfförmige Vorratsgruben und eine leider sehr schlecht erhaltene Gräbergruppe. Allerdings ist fraglich, ob Gräber und Siedlungsgruben tatsächlich gleichzeitig sind oder chronologische Unterschiede bestehen. Die elf Bestattungen sind vorwiegend fragmentiert überliefert und konnten nur durch drei wenige Beigaben führende Hockerskelette überhaupt zeitlich festgelegt werden.
Über einen Befund der Mittelbronzezeit (15./14. Jahrhundert v. Chr.) und eine ganze Reihe urnenfelderzeitlicher Siedlungsreste (10./9. Jahrhundert v. Chr.) gelangen wir zu einem weiteren herausragenden Befund, einen hallstattzeitlichen sogen. Herrenhof des 8./7. Jahrhunderts v. Chr., der etwa in der Mitte des Grabungsgeländes liegt. Es handelt sich um eine unregelmäßig rechteckig verlaufende Grabenanlage mit 40 bis 45 m Seitenlänge, die im Süden und in der Südwestecke je einen Durchlass besitzt. Der unterschiedlich dimensionierte, vorwiegend spitzes Profil zeigende Graben weist eine Breite von 1,50 bis 0,50 m auf, seine erhaltene Tiefe beträgt maximal 0,50 m. Die Innenfläche umfasst etwa 1900 m2 und zeigt keine sicher zugehörigen Baubefunde. Das mag allerdings nicht viel besagen, da der Erhaltungszustand von Hausbefunden aufgrund der Erosionsanfälligkeit des Geländes grundsätzlich nicht sehr gut war, wie die ganzen neun zu rekonstruieren gewagten Grundrisse belegen, deren jeweilige Zeitstellung kaum mit Sicherheit zu ermitteln sein wird. Die Entdeckung des „Herrenhofes“, von dem vor der Grabung keinerlei Hinweise bekannt waren, verlängert die Liste der inzwischen ergrabenen Strukturen dieser Zeitstellung. Da auch außerhalb des „Herrenhofes“ gleichzeitige Siedlungsgruben angetroffen wurden ergibt sich die Möglichkeit, eine Diskussion über die Stellung des eingefriedeten Siedlungsplatzes zu einer „Außensiedlung“ zu führen.
Aus einer ganzen Reihe über die Keramik datierbarer Gruben wurden Erdproben zur botanischen Untersuchung entnommen. Von den 46 Proben enthielten 16, also etwa ein Drittel, bestimmbare Pflanzenreste. Es bestätigte sich die inzwischen bekannte Entwicklung des Kulturpflanzenbestandes, d.h. vor der frühen Bronzezeit gibt es nur Emmer und Einkorn. Die bronze- und urnenfelderzeitlichen Proben enthielten zusätzlich die Rispenhirse. Ab der Urnenfelderzeit sind Dinkel und Saatweizen, ab der Hallstattzeit auch Gerste vertreten. Diese hier vereinfacht wiedergegebenen Untersuchungsergebnisse sind Dr. Hansjörg Küster von der Universität München zu verdanken, der seit vielen Jahren Kulturpflanzenreste aus dem Landkreis analysiert.
Wenn auch manche Fragen wegen fragmentarischer Überlieferung der Befunde nicht zufriedenstellend beantwortet werden konnten, so müssen wir dennoch hoch zufrieden sein, durch die erste in Buchhofen vorgenommene Flächengrabung entscheidende neue Erkenntnisse zur Geschichte dieses Raumes zwischen dem 4. Jahrtausend und den Jahrhunderten vor dem Beginn der römischen Kaiserzeit gewonnen zu haben.
Literatur
- J. Petrasch, Das Altheimer Erdwerk bei Alkofen, Gem. Bad Abbach, Lkr Kelheim. Bereichte der Bayerischen Bodendenkmalpflege 26/27, 1985/86 (1989 S. 33–80. Zu Nindorf S. 46 Abb. 11 u. S. 47 Abb. 12 Nr. 9.
- K. Schmotz, Ein keltisches Kindergrab von Buchhofen, Lkr. Deggendorf. In: Ausgrabungen und Funde in Altbayern 1992–1995. Katalog Gäubodenmuseum Straubing 24 (Straubing 1995) S. 11–15.
- K. Schmotz, Siedlungsgeschichtliche Gewinne in Buchhofen, Lkr. Deggendorf, Niederbayern. Das archäologische Jahr in Bayern 1996 (1997) S. 97–99.
- K. Schmotz, Siedlungsarchäologie in der Gemeinde Buchhofen, Lkr. Deggendorf. In: Ders. (Hrsg.), Vorträge des 16. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 1998) S. 51–69.
- W. Irlinger/K. Schmotz, Keltische Grabfunde. Archäologische Denkmäler im Landkreis Deggendorf 11 (Deggendorf 1999) zu Buchhofen S. 19–20.
- J. Faßbinder/K. Schmotz, Magnetometerprospektion zweier Erdwerke der Altheimer Kultur bei Bruck und Nindorf, Gemeinde Künzing und Buchhofen, Landkreis Deggendorf, Niederbayern. Das archäologische Jahr in Bayern 2000 (2001) S. 25–28.