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Künzing

Die Gemeinde Künzing erstreckt sich am Südostrand des Landkreises Deggendorf südlich der Donau kurz vor deren Eintritt in das vom Randbereich des Bayerischen Waldes und dem anschließenden Tertiärhügelland gebildeten Engtales bei Pleinting. Hier endet auch der im Süden vom Tertiärhügelland, im Norden vom Bayerischen Wald begrenzte und bis Regensburg reichende Gäuboden mit seinen aus Löss entstandenen Böden, auf denen sich im 6. Jahrtausend v. Chr. bäuerliches Leben entwickelte und in dem sämtliche vor- und frühgeschichtlichen Kulturen Ostbayerns zu finden sind.

Geraume Zeit – teilweise auch noch heute – stand Künzing im Zeichen der Römer, was auch der Name des dort 2001 eröffneten archäologischen Museums demonstriert. Und mit der römischen Geschichte kann man eben doch mehr anfangen als mit vorgeschichtlichen , oberirdisch aber selten erkennbaren Geschichtszeugen wie Grabhügel, von denen auf dem Forstharter Rücken eine stattliche Anzahl in den Wäldern erhalten blieben. Als Beispiel kann hier die Gemeinde Stephansposching genannt werden, deren archäologische Bedeutung überwiegend den vorgeschichtlichen Perioden zu verdanken ist, die aber in der Öffentlichkeit wegen der dort nur wenig bekannten römischen Geschichte einen geringeren Bekanntheitsgrad zur Folge hat.

Wie an vielen anderen Orten auch zogen Hinweise auf römische Traditionen, die entweder aus Schriftquellen oder materiellen Hinterlassenschaften abzuleiten waren, teilweise schon seit mehreren Jahrhunderten Interessenten an, wie es auch in Künzing der Fall war. Hier sind drei Schriftquellen von Bedeutung, nämlich das Itinerarium Antonini vom Beginn des 3. Jahrhunderts, eine Liste mit Orten und Entfernungsangaben zu der wahrscheinlich eine Landkarte gehörte, die Notitia Dignitatum, ein Staatshandbuch der Zeit um 400, das Angaben über Truppenkörper, Befehlshaber und Truppenstandorte enthält, und der Lebensbeschreibung des Hl. Severin, die die Verhältnisse in Künzing während der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts schildert. Aus den antiken Namensformen, die mit den späteren Ähnlichkeiten aufweisen, wurde Künzing als römischer Standort erschlossen, was sich auch bestätigte.

Archäologische Funde, deren Entdeckung und Verbleib aber unbekannt sind, werden für Künzing bereits in der Landesbeschreibung von Philipp Apian in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts genannt, und Lorenz Westenrieder, wichtiges Mitglied der Münchner Akademie der Wissenschaften, befasste sich, angeregt offenbar von der Lektüre der Vita Severini, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Künzinger Geschichte.

Zwar war Künzing als antiker Militärplatz schon früh erkannt, doch fehlte es geraumeZeit an Wissen über dessen tatsächlichen Standort. Das änderte sich auch nicht, als Kreisbaurat von Pigenot, angeregt durch den kgl. Regierungspräsidenten Freiherr von Mulzer, 1830/31 eine erste archäologische Untersuchung durchführte, und zwar an einem Platz, von dem Funde in größerem Umfang bekannt waren. Bei dieser Aktion kam es zur teilweisen Freilegung der westlich außerhalb des Kastells gelegenen Therme. Damit begnügte man sich aber bereits mit den Geländearbeiten. Erst in den Jahren 1976 und 1978 kam es dort zu weiteren Untersuchungen.

Museum Künzing - Blick in die römische Abteilung

Museum Künzing - Blick in die römische AbteilungDie allein durch Oberflächenfunde ausgewählte Grabungsstelle führte also zu keinen Erkenntnissen hinsichtlich des Kastells, dessen Lage aber bereits damals bekannt gewesen war. In der Sammlung von Mulzers existierte nämlich bereits ein Plan, in den ein Ingenieur namens Feigele Eintragungen mit der vermuteten, später als richtig erwiesenen Lage des Kastells vorgenommen hatte, die er aus Geländebeobachtungen – schlechterer Getreidewuchs im Bereich angenommener Grundmauern – ableitete.

So blieb es Kooperator Johann Michael Schmid vorbehalten, den Standort des Kastells ausfindig zu machen. Auch er brachte den schlechteren Getreidewuchs in heißen Sommern mit dem Verlauf von Grundmauern in Verbindung, ließ aber im Gegensatz zu von Mulzer an elf Stellen nachgraben und konnte für den 3. Juli 1874 verkünden, die Umwehrung des Kastells gefunden zu haben. Seine Beobachtungen bildeten die Grundlage für die Ausarbeitung eines bald darauf publizierten Grundrisses. Allerdings war er der Meinung, das in der Vita Severini überlieferte spätantike Kastell entdeckt zu haben, das nach heutigem Kenntnisstand an einem ganz anderen Platz zu suchen ist.

In den Jahren 1897 und 1898 fanden weitere Feldforschungen im Bereich des mittelkaiserzeitlichen Kastells durch den Münchner Gymnasiallehrer Franz Pichlmayr statt. Dieser stellte konkrete Anhaltspunkte zur Konstruktion der Umwehrung fest, außerdem gelang ihm die Entdeckung des Fahnenheiligtums und einer als Lagergenius benannte Bronzestatuette. Die Untersuchung mündete in einem konkreteren Gesamtplan gegenüber Schmid.

Eine kleinere Grabung, die zur Entdeckung spätantiker Gräber nördlich der Therme führte, wurde 1914 vorgenommen, womit erstmals Hinweise auf die spätantike Geschichte Künzings gewonnen werden konnten.

Ab 1928 befasste sich Hanns Neubauer, der für die Archäologie des heutigen Landkreises Deggendorf, aber auch darüber hinaus, große Leistungen erbrachte, mit Künzing, ausgelöst durch erste Baumaßnahmen im Bereich des bis dahin weitgehend in freiem Feld gelegenen Kastells und dem zugehörigen Vicus. Er entdeckte römische Gebäudestrukturen in der Zivilsiedlung und reiches Fundmaterial, darunter den ersten Ziegelstempel der 3. Thrakerkohorte. Von ihm stammt auch der 1930 publizierte und bis dahin beste Plan des Kastells.

Bis in die 1950er Jahre hinein blieben große Teile des Kastells von Überbauung verschont, doch ein trotz Grabungsschutzgebiet ausgerechnet an dieser Stelle geforderter Schulbau erforderte eine Flächengrabung, die von Fritz Rudolf Herrmann und Hans Schönberger 1958 bis 1966 vorgenommen wurde, wodurch Künzing über längere Zeit hinweg als das besterforschtes mittelkaiserzeitliche Kastell in Deutschland galt, dessen Gründung am Ende des 1. Jahrhunderts erfolgte und das bis nach der Mitte des 3. Jahrhunderts Bestand hatte. Nach dessen Zerstörung entstand weiter nördlich ein spätantikes (Klein)-kastell, dessen Standort aber nur ungefähr gesichert ist, kleinere Forschungsgrabungen in den 1970er Jahren durch Thomas Fischer und Sabine Rieckhoff-Pauli bestätigten diese Situation.

Die Spätantike spielt in Künzing eine wichtige Rolle hinsichtlich Christianisierung und Siedlungskontinuität bis ins frühe Mittelalter. Neben der als Kleinkastell zu vermutenden Militäranlage unmittelbar an der damals nahe an den heutigen Ort heranreichenden Donau hatte sich eine zivile Siedlung mit Holzkirche entwickelt, worüber uns die Lebensbeschreibung des Hl. Severin unterrichtet. Obwohl die archäologischen Erkenntnisse zu einer Siedlungskontinuität eher dünn sind, werden wir einen Fortbestand der Ansiedlung über das Ende der römischen Herrschaft hinaus annehmen dürfen.

Hervorgerufen durch die geplante Errichtung zweier Fußballfelder, eines Tennisplatzes und von Wohnbauten musste die Kreisarchäologie Deggendorf zwischen 1983 und 2015 großflächige Grabungen östlich außerhalb des Kastells vornehmen, die tiefe Einblicke in die Struktur des Ostvicus, darunter ein Brandgräberfeld, ein Mithräum und ein Amphitheater, ermöglichten. Künzing entwickelte sich ebenso wie Stephansposching zu Schwerpunkten der denkmalpflegerischen Arbeit.

Lieferten die bis in die 1970er Jahre vorgenommenen Untersuchungen, Grabungen und Bergungen im unmittelbaren Ortsbereich von Künzing vorwiegend Materialien der römischen Kaiserzeit, aber auch des Frühmittelalters, wie das bisher einzige einigermaßen umfassend am Anfang der 1980er Jahre untersuchte Gräberfeld im Ortsteil Bruck, so änderte sich dies schlagartig mit der großflächigen Grabung im Bereich des Ostvicus, die eines der größten urnenfelder- und hallstattzeitlichen Gräberfelder Süddeutschlands mit derzeit etwa 1000 bekannten Gräbern, darunter mehrere mit Hinweisen auf Reiter und Wagenfahrer, erbrachte. Dadurch wurde der Blick schlagartig auf die bis dahin in Künzing kaum präsenten vorrömischen Zeiten gelenkt. Durch Bau- und Gewerbegebietsausweisungen, aber auch durch viele Einzelbaumaßnahmen ab den 1980er Jahren veränderte sich das Bild der vorgeschichtlichen Besiedlung ganz entscheidend, ja für manche Plätze außerhalb des Kernortes Künzing ergaben sich an bis dahin fundfreien Flächen völlig neue Erkenntnisse, wie etwa die Hinweise auf alt- und jungneolithische Siedlungen im Gemeindeteil Wallerdorf.

Im Rahmen dieser Einleitung können nur knappe Hinweise auf die neben dem bereits genannten urnenfelder- und hallstattzeitlichen Gräberfeld aus dem Künzinger Osten mit einer Nutzungsdauer vom 11. bis zum 6. Jahrhundert v. Chr. wichtigsten Entdeckungen gegeben werden. Genaueres ist, wie auch zur römischen Kaiserzeit, den einzelnen Kapiteln zu entnehmen.

Museum Künzing - Blick in einen Teil der vorgeschichtlichen Abteilung

Museum Künzing - Blick in einen Teil der vorgeschichtlichen AbteilungDie wichtigste Grabung auf einer jungsteinzeitlichen Fundstelle, noch dazu von erheblichem überregionalen Interesse, fand 1985 im Ortsteil Unternberg statt. Dort war seit geraumer Zeit eine auf einem Hügel gelegene befestigte Siedlung mit Kreisgrabenanlage des mittleren Neolithikums bekannt, deren Bestand durch starke Erosion bedroht war. Es handelte sich um ein herausragendes Denkmal, nämlich eine Siedlung mit Kreisgrabenanlage des 48. und 47. Jahrhunderts v. Chr., das von Jörg Petrasch unter wissenschaftlichen Aspekten untersucht wurde und die damals hoch im Kurs stehende internationale Kreisgrabenforschung auch für Niederbayern ins Gespräch brachte. Allerdings konnten bis heute nur ausgewählte Befunde und verschiedene Fundgattungen bearbeitet werden. Besonders auffallend waren zwei Gefäße der im Osten verbreiteten Lengyelkultur. Im Jahr 1991 gelang im Ortsteil Bruck während einer großflächigen bauvorgreifenden Untersuchung erstmals für den Landkreis Deggendorf die Entdeckung einer mit der Station von Unternberg etwa gleichzeitigen Gräbergruppe und eines Schlagplatzes für Silexgeräte.

Am Rand des urnenfelder- und hallstattzeitlichen Gräberfeldes im Osten Künzings kam – im Landkreis Deggendorf ebenfalls eine Novität – eine Gruppe von vier Gräbern der endneolithischen Schnurkeramik (3. Jahrtausend v. Chr.) zutage, darunter eine Doppelbestattung Frau/Kind, die neben einem schnurverzierten Becher mehrere Steingeräte und einen aus Kupfer bestehenden Spiralring enthielt.

Im flächig untersuchten Baugebiet „Bruck“ am Südwestrand von Künzing kam neben Siedlungsmaterialien unterschiedlicher Zeitstellung ein Gräberfeld der Glockenbecherkultur mit neun Gräbern zutage. Äußerst bemerkenswert ist hier die Grablege eines Handwerkers, die neben der eher allgemein üblichen Ausstattung mit Pfeilspitzen, einer Armschutzplatte, Pfeilschaftglätter, Ebereckzähne und Glockenbecher auch mehrere Steinwerkzeuge zur Bearbeitung von Metall enthielt.

Die frühe Bronzezeit war in Bruck mit zwei umfangreichen, aus vollständigen Gefäßen und zerscherbter Keramik bestehenden Depots vertreten, die jeweils auf den Sohlen von Siedlungsgruben niedergelegt worden waren. Frühbronzezeitliche Grabfunde, allerdings nur durch ausgepflügte Metallfunde nachgewiesen, gibt es indessen nur vom Künzinger Ostrand.

Siedlungsnachweise der Urnenfelderzeit sind – im Gegensatz zu den Grabfunden – nur dünn gesät. Neben den im Zuge der Kastellgrabung entdeckten Hausgrundrissen ist hier erwähnenswert die Flächengrabung der Jahre 1985/86, ergänzt durch eine weitere Untersuchung von 2015, im Bereich des Umspannwerks Pleinting mit Hausgrundrissen und Nachweisen von Webstuhlstandorten, übrigens den bisher einzigen im Landkreis Deggendorf.

Die keltische Latènezeit ist in Künzing vorwiegend aus dem Ortsteil Girching bekannt geworden. Außergewöhnlich ist hier die Entdeckung eines Brennofens, der in das Museum übertragen wurde.

Unter siedlungsgeschichtlichen Aspekten ist wie im südlichen Bayern überwiegend auch in Künzing eine – archäologisch derzeit nicht zu schließende – Lücke von über 100 Jahren zwischen dem Ende der keltischen Besiedlung und dem Beginn der römischen Kaiserzeit festzustellen. Wir wissen nicht, ob nach der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Besiedlung in nennenswertem Umfang vorhanden war oder nicht. Zumindest weisen – ganz allgemein – einige Gewässer- und Ortsnamen auf Traditionen von der keltischen in die römische Zeit hin. Ganz ohne Bewohner dürfte der Raum Künzing wohl nicht gewesen sein als gegen Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. die ersten römischen Soldaten sich daran machten, ein Auxiliarlager zu errichten und dadurch eine lange Siedlungskontinuität bis in die Gegenwart herein begründeten.

Angespornt durch die reiche frühe Geschichte der Gemeinde entstand in Künzing Anfang der 1990er Jahre die Idee zur Errichtung eines archäologischen Museums, das 2001 mit dem Namen Museum Quintana im Beisein des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eröffnet wurde.

Literatur

Ausgrabungen und Funde aus verschiedenen Zeitepochen

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