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Die linienbandkeramische Siedlung im Baugebiet "Urdorf"

Im Jahre 1930 entdeckte Hanns Neubauer beim Bau des gegenüber des heutigen Rathauses gelegenen Lehrerhauses linienbandkeramische Scherben und belegte so die Existenz einer rund 7000 Jahre alten jungsteinzeitlichen Siedlung. Seit damals fügen sich Beobachtungen ehrenamtlicher Sammler und diverse Notgrabungen der Kreisarchäologie Deggendorf wie Mosaiksteine zueinander und lassen allmählich das Bild dieses „Urdorfs“ entstehen, das sogar namengebend für ein ganzes Neubaugebiet wurde.

Die prähistorische Siedlungsfläche liegt nahe des alten Ortskerns von Stephansposching, hauptsächlich südlich der Kreisstraße. Sie befindet sich auf einem gering ausgeprägten Höhenrücken der Hochterrasse zwischen der Donauniederung im Norden und einem trocken gefallenen Tälchen, der Rottal-Seige, im Süden. Die Siedlungsfläche umfasst etwa 10 ha, wovon ein Drittel durch archäologische Ausgrabungen untersucht werden konnte. Ein weiteres Drittel liegt in ackerbaulich genutztem Gelände, der Rest wurde unbeobachtet zerstört. Beim Bau der Mehrzweckhalle kam zudem ein Teil des zugehörigen Gräberfeldes zutage.

Bei den von 1991 bis 1995 durchgeführten Grabungen wurden über 3200 Befunde dokumentiert, hauptsächlich Pfostenlöcher und verschiedene Gruben (Lehmgewinnung, Keller- und Arbeitsgruben). Außerdem fanden sich im Dorfbereich neun Bestattungen, vorwiegend von Kindern, 20 Grubenöfen und Herdstellen sowie der etwa 300 m lange Teilabschnitt eines Grabenwerks. Anhand der Pfostenlöcher können genau 100 Hausgrundrisse sowie einige Zäune rekonstruiert werden. Wie die vielen Überschneidungen zeigen, standen diese Gebäude natürlich nicht alle gleichzeitig. Die aus Holzpfosten und lehmverputzten Flechtwänden errichteten Bauten waren zwar oft eindrucksvoll groß (z.T. bis über 30 m lang), aber wohl nur wenig haltbar – es werden Standzeiten von ca. 30 Jahren geschätzt. In Stephansposching lassen sich etwa neun „Hausgenerationen“ erschließen. Die Gründung des Dorfes erfolgte etwa um 5250 v. Chr. mit einigen locker verstreut liegenden Höfen. Allem Anschein nach wurden solche Höfe vererbt und bei Bedarf das alte Haus durch einen direkt darüber oder nebenan errichteten Neubau ersetzt. Die Siedlung entwickelte sich rund 300 Jahre ungebrochen in dieser Art ohne ihr Äußeres nennenswert zu verändern. Gegen Ende zu jedoch wurde inmitten des Dorfes ein wenigstens 1 ha großer Grabenring ausgehoben und die Erde als Wall an eine Palisade im Inneren angeschüttet. Bald nach Errichtung dieser mächtigen Verteidigungsanlage wurde der Ort aber gegen 4950 v. Chr. verlassen.
Die zeitliche „Tiefe“ der Dorfgeschichte spiegelt auch die Keramik deutlich wider. Charakteristisch für die frühe Zeit sind punktgefüllte Bänder, die der Kultur auch ihren Namen gaben, sogenannte „Notenkopfzier“ aus großen Tupfen auf Ritzlinien sowie derbe Fingertupfenreihen. Später kommen diverse Muster aus Ritzlinien und Stichen hinzu, am Ende dominieren barocke Muster, die oft rein in Stichtechnik ausgeführt sind.

Die Linienbandkeramik ist in Südbayern die älteste Bauernkultur und so konnte auch in Stephansposching der Anbau von Emmer und Einkorn gesichert werden. Daneben spielten Tierhaltung und Jagd eine erhebliche Rolle. Das Arbeitsgerät bestand aus Holz, Geweih, Knochen, Felsgestein und Feuerstein, wobei hauptsächlich die Steinmaterialien erhalten blieben. Gerade diese zeigen die enorm weitreichenden Beziehungen, die gepflegt wurden. So liegen Importe aus Nordböhmen und sogar aus der Ostslowakei vor.

Die linienbandkeramische Siedlung von Stephansposching war mit ihren jeweils ca. 30 gleichzeitig stehenden Häusern zweifellos eines der bedeutendsten Dörfer seiner Zeit – groß, verkehrsgünstig gelegen und mit weit gespannten Fernkontakten. Eine vergleichbare Größe erreichte das moderne Dorf offenbar erst im 16. Jh. n. Chr. wieder.

Die hier knapp dargestellten Forschungsergebnisse entstammen einer von Joachim Pechtl M.A. an der Universität Heidelberg eingereichten Dissertation.

Literatur

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