2002 fand im Zuge der Innenrenovierung in der Kirche von Stephansposching eine archäologische Untersuchung statt. Da der Fußboden nicht entfernt wurde, musste sich die Grabung auf den Bereich des Gestühls beschränken. Heute präsentiert sich die dem Hl. Stephanus geweihte Kirche als ein neobarocker Bau mit einem Westturm als einzigem Überrest aus dem 18. Jahrhundert. Wegen des Totalabbruchs der Vorgängerkirche im Jahre 1891 war dort keine mittelalterliche Bausubstanz im Aufgehenden zu erwarten. In der Südhälfte kam ein massives barockes Fundament zutage, das alle möglichen älteren Baureste zerstört hatte. Wenn überhaupt, dann konnten mittelalterliche Befunde nur unterhalb des nördlichen Gestühls erhalten geblieben sein. Als dort eine etwa 0,8 m mächtige Schuttschicht ausgehoben war, zeigten sich im anstehenden Lösslehm Fundamentreste und Ausbruchgräben einer romanischen Kirche aus der Zeit um etwa 1200. Dass es auch eine spätgotische Bauphase (15. Jahrhundert) gab, demonstriert ein im barocken Fundament verbautes Rippenprofil. Unklar bleibt aber, ob in dieser Zeit ein kompletter Neubau errichtet oder lediglich der Altarraum neu gestaltet wurde.
Noch wesentlich brisanter war die Entdeckung von vier massiven Pfostengruben in einer Reihe entlang des Nordrandes der Grabungsfläche, deren Abstand (von Mitte zu Mitte) 2,10 bis 2,30 m betrug und die ohne Zweifel von einer Holzkirche des frühen oder älteren Mittelalters stammen mussten. Wegen ihrer randlichen Lage innerhalb der Grabungsfläche konnten die Pfostengruben in der Fläche nicht vollständig frei gelegt werden. Nur deren Breite (58 bis 65 cm), Tiefe (18 bis 44 cm) und Form (ebene Sohle, senkrechte Wände) waren festzustellen, Standspuren der Hölzer nicht nachzuweisen. Sechs weitere Pfostengruben zeigen ähnliche Erscheinungsformen, doch fügen sie sich mit Kirche Stephansposching - Plan Baubefundedrei Ausnahmen nur schwerlich in ein erkennbares System – möglicherweise ist mit zwei Bauphasen zu rechnen –, so dass eine Rekonstruktion des gesamten Grundrisses nicht möglich ist. Dies mag zwar bedauerlich sein, doch bedeutet bereits der Nachweis einer Holzkirche einen entscheidenden Fortschritt für die historische Einschätzung des Ortes, dessen früheste Nennung erst um 1155 erfolgte.
Literatur:
- Stephansposching Pfarrkirche Deggendorfer Geschichtsblätter 32-33, 2010-2011, S. 5-36 (pdf)
- K. Rose, Deggendorf. Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern Heft 27 (München 1971).
- H. Tiefenbach, Die Namen des Breviarius Urolfi. Mit einer Textedition und zwei Karten. In: R. Schützeichel (Hrsg.), Ortsname und Urkunde. Frühmittelalterliche Ortsnamenüberlieferung. Münchener Symposion 10. bis 12. Oktober 1988. Beiträge zur Namenforschung N.F. Beiheft 29 (Heidelberg 1990) 60–95.
- K. Böhm/K. Schmotz, Auf den Spuren früher Kirchen im niederbayerischen Gäu. Beiträge der Archäologie zur Geschichte mittelalterlicher Sakralbauten. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 14. Niederbayerischen Archäologentages (Espelkamp 1996) S. 225–281.
- K. Böhm/K. Schmotz, Archäologische und baugeschichtliche Untersuchungen an Sakralbauten in Niederbayern. In: K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 22. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 2004) S. 171 – 293 hier S. 208–209.