Während vorwiegend entlang der Donau-Hochterrasse im Bereich Stephansposching-Uttenhofen nur geringe Spuren der Römerzeit in Form einiger Brandgräber (Schule Stephansposching, Wischlburg) oder Siedlungsresten nachweisen lassen, liefert der östliche Gemeindeteil in Steinkirchen einen kleineren Kastellstandort samt zugehöriger Zivilsiedlung und in Uttenkofen einen Gutshof (villa rustica).
Bis 1928 war von der römischen Geschichte Steinkirchens so gut wie nichts bekannt, doch als in diesem Jahr mit dem Bau der Hochwasserschutzdämme an der Donau begonnen wurde und dafür erhebliche Materialmengen erforderlich waren, änderte sich dies grundlegend. Während der umfangreichen Abgrabungen zur Materialgewinnung am Rand der Hochterrasse entdeckte Hanns Neubauer, damals beim Kulturbauamt, dem heutigen Wasserwirtschaftsamt Deggendorf beschäftigter und sehr an Archäologie interessierter Bauingenieur erste Hinweise auf die Existenz eines römischen Militärlagers. Obwohl er bei seinen Untersuchungen weitgehend auf sich allein gestellt war und die äußeren Umstände für diese Forschungen alles andere als günstig waren, konnte Neubauer ein Kleinkastell, das damals übrigens fast vollständig zerstört wurde, mit einer Ausdehnung von 75 x 58 m im üblichen rechteckigen Grundriss mit abgerundeten Ecken feststellen. Von der Innenbebauung wurde aufgrund der ungünstigen Fund- und Bergungsumstände nichts bekannt. Lediglich das Südtor mit zwei vorspringenden Türmen und ein Seitenturm der Südwestfront waren noch festzustellen. Im Abstand von 1,20 m war der Mauer ein Spitzgraben von ca. 5,5 m Breite und 2,6 m Tiefe vorgelagert. Das Kastell war etwa an der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n. Chr. als Holz-Erde-Konstruktion errichtet und zu einem nicht näher festzulegenden Zeitpunkt in Stein ausgebaut worden. Die datierbaren Funde enden mit den dreißiger oder vierziger Jahren des 3. Jahrhunderts, doch da im Gegensatz zu den anderen Kastellen unseres Raumes keine Zerstörungsspuren nachgewiesen sind, scheint es planmäßig aufgegeben worden zu sein. Die Besatzung des als Numeruskastell bezeichneten Truppenstandortes kennen wir nicht, ebenso auch nicht ihre Größe. Aufgrund der zu nutzenden Innenfläche kann die stationierte Einheit aber nur weniger als 100 Soldaten umfasst haben.
Wie bei allen römischen Kastellen so entwickelte sich auch in Steinkirchen eine Zivilsiedlung. Sie erstreckte sich südlich, südwestlich und östlich des hart an den Abfall der Hochterrasse gebauten Truppenlagers, an zwei aus dem Stützpunkt heraus führenden Straßen sind Brandgräberfriedhöfe nachgewiesen. An der nach Südwesten ziehenden Straße konnte Neubauer noch etwa 70 Gräber feststellen. Dieses Gelände ist heute vollständig abgegraben, an seiner Stelle erstreckt sich ein stehendes Gewässer. Südöstlich des Lagers sind im Bereich der ehemaligen Gemeindekiesgrube bis jetzt neun Gräber bekannt. Bei diesen Straßen handelt es sich um keine Haupt- sondern um Nebenstraßen, die sowohl Gutshöfe, die zur Versorgung der Bevölkerung und der Soldaten dienten, verbanden, aber auch einen Anschluss zur strategisch wichtigen Hauptstraße von Regensburg nach Passau herstellte, die etwa im Zuge der heutigen Bundesstraße 8 anzunehmen ist.
Konnte Neubauer Hinweise auf die Zivilsiedlung überwiegend nur durch Oberflächenfunde, kleinere Suchschnitte und Beobachtungen bei Erdarbeiten gewinnen, führten archäologische Untersuchungen in den 1980er Jahren vor der Errichtung von Wohngebäuden und des Feuerwehrhauses zur Entdeckung von Kellern und Brunnen. Auf dem Grundstück des Feuerwehrhauses kamen zwei Brunnen zum Vorschein, von denen noch Reste der ehemaligen Holzverschalung im Grundwasser erhalten waren. Hölzer versetzen uns prinipiell in die Lage, mit Hilfe der Jahrringdatierung auch jahrgenaue Zeitangaben zu liefern. Aufgrund der nicht ausreichenden Menge an Jahrringen ließ sich hier allerdings nur ein Fällungszeitraum im späten 2. Jahrhundert festlegen.
Völlig überraschend konnten Hinweise auf die Existenz eines Tempels gewonnen werden, und zwar weniger durch klare Baubefunde, sondern durch zwei Keramikschüsseln (Terra Sigillata) aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts mit eingeritzen Weihungen. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass es sich in einem Fall um eine der seltenen Weihungen an Jupiter Dolichenus handelt, die zweite Schüssel ist Jupiter geweiht.
Die römische Präsenz in Steinkirchen endet also in den dreißiger oder vierziger Jahren des 3. Jahrhunderts. Ob sich – wie durch gewisse Indizien im Fundmaterial angenommen – auch noch im 4. Jahrhundert im Raum Steinkirchen die Anwesenheit römischer Soldaten oder Zivilisten nachwesien lässt, bleibt dahingestellt. Eine kontinuierliche Weiterbesiedlung bis in das frühe Mittelalter, wie sie etwa für Straubing oder Künzing nachgewiesen ist, können wir hier nicht erkennen.
Im Bereich einer Kiesgrube bei Uttenkofen kam 1970 ein großer Metallhort in einem Brunnenschacht zutage. Auch hier waren die Fundumstände denkbar ungünstig, sodass wir von der dortigen villa rustica nur sehr wenig wissen. Die Metalldeponierung enthält viel Baueisen wie Fenster- und Türbeschläge und darf als Plünderungsgut angesehen werden, das später nicht mehr geborgen werden konnte. Auffallend ist das Vorkommen mehrerer eiserner Pflugschare.
Das Depot ist noch immer nicht bearbeitet und kann deshalb hier nicht näher dargestellt werden.
Literatur
- G. Moosbauer, Die ländliche Besiedlung im östlichen Raetien während der Römischen Kaiserzeit. Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 4 (Espelkamp 1997) S. 251–259.
- S. F. Pfahl, Griechen in Germanien und Raetien. Der Limes 7, 2013, H. 1, S. 4-6. Zu Steinkirchen S. 4-5.
- P. Reinecke, Ein neues Kastell an der raetischen Donaugrenze (Steinkirchen, Bez. A. Deggendorf). Germania 14, 1930, S. 197–205.
- K. Schmotz, Archäologie im Landkreis Deggendorf 1979 – 1981 (Deggendorf 1982) S. 57–59.
- K. Schmotz, Römische und frühmittelalterliche Befunde aus Steinkirchen, Gde. Stephansposching, Lkr. Deggendorf. In: Ausgrabungen und Funde in Altbayern 1987/88. Katalog Gäubodenmuseum Straubing 13 (1988) S. 61–63.
- K. Schmotz in: Deggendorfer Geschichtsblätter 12, 1991, S. 130–134.
- K. Schmotz, Zwischen 1928 und 2006: Die Bodendenkmäler von Steinkirchen und ihr Schicksal. Das archäologische Jahr in Bayern 2006 (2007) S. 179-182.
- K. Schmotz, Dr. Johannes Markstaller und das römische Steinkirchen. In: L. Husty/K. Schmotz (Hrsg.), Vorträge des 35. Niederbayerischen Archäologentages (Rahden/Westf. 2017) S. 323-356.